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 Vorwort

Teile dieser Geschichte wurden mündlich überliefert. Sie nimmt nicht in Anspruch genau so gewesen zu sein. Namen, Orte und Zeitabläufe stimmen jedoch.  Die Geschichte wurde über Generationen jeweils weiter gegeben. Aufgeschrieben wurde sie von Herrn Richard Lambio, der mir diese überlies.

 Er ist ein Nachfahre des Bruders meines Urururgroßvaters Melchior Lambio ist.

Den Verstorbenen zum Gedächtnis und den Lebenden und kommenden Generationen zur Erinnerung.

Im Jahre des Herrn 1673

Als sich Charles Henri Lambiau dem Stadttor näherte, hörte er schon den Mob grölen:

„Ein König, ein Gesetz, ein Glaube“!

Sein Mut sank, er war müde und hungrig, er fühlte sich schmutzig. Vierzehn Tage, besser gesagt Nächte ritt er von Bordeaux nach Hause. In Bordeaux hatte er Gelder für gelieferte Waren seines Vaters kassiert.

Er ritt, um den Soldaten des Königs nicht zu begegnen, nur bei Nacht. Am Tage versteckte er sein Pferd und sich immer in Küstennähe. Er hielt sich von jeder menschlichen Ansiedlung fern.

Am „Tour de Saint Nicolas“ brannten die Häuser der reformierten Handwerker und Handelsherren. Weshalb war jetzt wieder eine Strafaktion erfolgt? Stille herrschte, nur das geknister der brennenden Holzbalken hörte er. Die Bekehrer des Königs waren weiter gezogen.

Charles Henri wurde unruhig, hatte Angst! Er musste zum Hafen. Am Hafen war alles menschenleer, der Fährmann seines Vaters, der am „Tour de la Chaine“ wohnte, war nicht auffindbar. Das Haus war geplündert worden.

Plötzlich sah er es: Rotgelbe Flammen! Sein Inseldorf brannte! Er band sein Pferd fest, als er ein Boot fand.

Malerisch war seine Heimat: Weiße Dünenstrände mit den niedrigen weißen, ziegelgedeckten Häusern. Es gibt Weingärten, Meeressalinen, Austern- und Muschelgärten.

Er kannte nur einen Gedanken: was war zu Hause los?

Trotz seiner 23 Jahre war er viel mit seinem Vater auf Reisen gewesen. Das Salz der Salinen war Gold wert, und der Vater belieferte die Höfe des evangelischen und katholischen Adels. Die Austern und Muscheln hatten ihre festen Abnehmer, der Wein mundete den Kennern.

Der Vater hatte ihn das Handwerk eines Strumpfwebers erlernen lassen. Vier Jahre hatte er in England an Maschinen gelernt wie man Strümpfe herstellt. Sie hatten eine solche Maschine in England bestellt, und den Raum dafür hatte der Vater schon richten lassen.

Das Geschäft mit dem Salz der Salinen, die Austern- und Muschelbänke sollte einmal alles seinem älteren Bruder gehören.

Damit er später einmal sein eigener Herr sei hatte der Vater ihn diesen Beruf erlernen lassen. Das Geld für die gelieferte Ware hatte er, die Maschine konnte damit bezahlt werden.

Er war total erschöpft, als er nach einer Stunde rudern ankam. Er zog das Boot an Land und lief so schnell er konnte in sein Dor Loix!

Loix brannte! Das Elternhaus war ausgebrannt, nur einige Balken schwelten noch! Von Huas zu Haus lief er, überall das gleiche Bild.

Wo waren seine Eltern, die anderen alle?  Hatte man sie verschleppt?

Charles Henri rief, schrie, doch nur der aufkommende Sturm und die tief an Land Schutz suchende Möwen waren zu hören.

Suchend lief er umher, das Salzhaus am Ortsrand war unbeschädigt. Hier wurde das von der Sonne und dem Wind getrocknete Salz gelagert. Schon vor der Tür sah er Blutflecke, waren die Einwohner nach hier geflohen?

Die Bekehrer des Königs hatten alle getötet!  Sie mussten überrascht worden sein, sonst hätten sie sich im Geheimkeller versteckt.

Zwei Tage brauchte er, bis er seinen Vater, die Mutter, seinen Bruder André dessen Frau Anne, bis er seine Verwandten und Freunde begraben hatte. Die Dünen deckten alle gnädig zu.

Er musste Stunden im Sand geschlafen haben, als er an einem Morgen vor Sonnenaufgang erwachte. Welcher Tag war heute? Er wusste es nicht.

Er zog sich aus, übergoss sich mit Wasser und zog die gefundene Kleidung an. Sie war grob und ungewohnt. Seine Kleidung vergrub er. Für den Rückweg brauchte er fast drei Stunden!

Die Plünderer waren verschwunden. Es war Nacht als er sich der Ruine seines Elternhuases näherte. Alles schien ruhig, seine Nerven waren bis aufs letzte gespannt. Die Spannung viel ab als sie den sicheren Keller erreicht hatten. Er gab dem Tier zu fressen.

Die Mutter hatte Würste zum Lufttrocknen aufgehängt, davon aß er. Der Hund wecke ihn und knurrte leise. Charles Henri hörte Stimmen, die einen fremden Dialekt sprachen! Die Luft die hereinströmte roch verbrannt. Er war nervös, würde man ihn entdecken? Er hatte nichts um sich verteidigen zu können und beschloss von hier so schnell wie möglich fortzugehen.

Das Gold das er kassiert hatte, sowie die Goldmünzen, die sein Vater im Doppelboden eines Ölfasses versteckt hatte, nahm er an sich. Es war eine ganze Menge! Viel Zeit benötigte er um die Goldstücke in den Nähten seiner Kleidung zu verstecken. Den Großteil der Münzen steckte er in die Nähte seines Umhanges. Es würde seine letzte Nacht zu Hause sein. Draußen war alles still und trotzdem, so unruhig hatte der junge Mann noch nie geschlafen!

Als er morgens die Tür öffnete, trug ein Windstoß den reichen Geruch der Algen und des Salzes herein. Es nieselte und es war kühl! Die Soldaten des Königs hatten die Getreidefelder abgebrannt und waren weiter gezogen. Er musste weg hier, aufs Festland! Dort gab es noch hunderte von reformierten Dörfern und Städten.

Fünf Glaubenskriege hatte es bisher gegeben, bis der junge König den reformierten Bauern, Handwerkern, Kaufleuten und Adel Religionsfreiheit garantierte. Ein aufatmen ging durch Frankreich, alles sprach vom „Edikt von Nantes“ in welchem der König allen Bürgern Glaubensfreiheit gewährte. Das Land feierte, denn alle Bauern und Handwerker hatten während der letzten 30 Jahre viel Not erfahren.

 Die Soldaten fragten nicht ob das Getreide einem katholischen oder reformierten Bauern gehörte. Sie nahmen sich, wo sie etwas fanden. Sie plünderten, brandschatzten, mordeten!

Die Königsmutter Maria von Medici lud in Abwesenheit ihres Sohnes die Führer des reformierten Adels unter Führung des Baron de Coligny mit Begleitung zu einem Ball der Versöhnung in den königlichen Palast nach Paris ein. Dreitausend! Waffen waren verboten! Während des Balles stürzten sich tausende von Soldaten auf die Gäste, die rücklings erstochen oder totgeschlagen wurden. Paris schwamm in Blut.

Das war vor seiner Geburt geschehen, wann endlich gab es Frieden?

Unser junger Mann packte sich Lebensmittel ein, besuchte noch einmal die Gräber und ging mit dem Weißen zur Küste. Sein Boot war noch da. Er musste sich beeilen die die Gezeiten (Ebbe und Flut) einsetzten. Als er an Land ging war sein Pferd weg. Hoffentlich war es in gute Hände geraten.

In La Roschelle war alles wie immer. Am Hafen war reger Betrieb, die Handwerker gingen ihrer Arbeit nach. Wären am Marktplatz nicht die verbrannten Häuser gewesen, er hätte fast geglaubt, er hätte die letzten Tage geträumt. Niemand beachtete ihn. Er kaufte einen Lederriemen für seinen Hund. Beim Schuster erfuhr er, dass die Stadt von Dragonern des Königs besetzt war. Alle reformierten Kaufleute wurden in ihren Häusern gefangen gehalten. Die Geistlichkeit war eingesperrt worden oder geflohen! Tausende waren auf der Flucht in die Niederlande, in die deutschen Länder Kurpfalz und Preußen.

Als er zum Haus seines Onkels Maitre Bernard ging, sah er auch sie waren im Hause gefangen! Dragoner bewachten die Eingänge. Einer der Soldaten schrie ihn an: „Was suchst Du Bauer hier?!“

Er wollte hier nicht bleiben! Am Rande der Stadt kaufte er einem Bauern ein Pferd mit Sattel und Zaumzeug ab, und bezahlte dies mit dem wenigen Silbergeld das er hatte. Er ritt ins Land und sah aus wie ein junger Bursche auf dem Heimritt. Charles Henri sah nur verlassene Dörfer. Königliche Truppen hatten auch hier alles verwüstet, die Einwohner waren geflohen!

In Paris bekam man Angst, tausende von Soldaten verschwanden spurlos! Die Reformierten purzelten aus den Bäumen, stießen ihren Peinigern Hirschfänger zwischen die Schulterblätter bevor sie noch Zeit fanden zu schreien. Trotz ihrer Waffen und Offiziere wurden alle nieder gemacht. Das Poitou hatte sie verschlungen.

Ähnlich ging es in der Normandie, der Bretagne, in der Picardie zu. Doch die Zeit arbeitete für die Königlichen, es gab nur eine Fluchtmöglichkeit: den Osten!

Hungrig waren alle drei er führte sein Pferd zu einer Stelle wo es grasen konnte. Nachdem er sein Pferd festgebunden hatte, setzte er sich abseits hin und war gerade dabei seinem Hund ein Stück getrocknetes Fleisch abzuschneiden, als dieser bellte. Plötzlich standen fünf finstere mit Pistolen bewaffnete Gestalten vor sich. Sie durchsuchten ihn nach Waffen, nahmen ihn mit in ihr Lager und banden ihn an einer Buche fest.

Er war eingeschlafen. Als sie ihn anstießen wusste er zuerst nicht wo er war. Vor ihm stand der Anführer, er bot ihm Unterkunft und Verpflegung an wenn er bleiben würde. Stolz zeigte er ihm 12 Galgen, an welchen jeden Tag 12 Soldaten aufgeknüpft wurden. Es war gut dass es noch dämmrig war, sonst hätten sie gesehen dass es ihm schlecht wurde. Er hatte viele  Tote während der letzten Tage gesehen, aber bisher waren es immer die anderen gewesen die getötet hatten. Wie hieß es doch: „Auge um Auge Zahn um Zahn“.

Hunderte von Haus und Hof vertriebene Bauern lebten hier weit ab jeglicher menschlichen Siedlung unter primitivsten Bedingungen. Ihn dauere ihr schwieriges Los.  Hier konnte er nicht bleiben! Sie ließen ihn weiter ziehen. Er sagte er müsse Angehörige suchen.

Selbst Vögel hörte man nicht mehr, Stunden ritt er Richtung Osten. So ritt er seit Wochen. Schon Tage hatte er kaum etwas zum essen gehabt. Da hatte es sein Pferd schon besser, es fand immer etwas. Er war einsam! Um zu überleben musste er ins nächste Dorf! Am Waldrand hörte er Stimmen. Es waren Soldaten. Er blieb ruhig im halbdunkel des Waldes stehen. Sie waren im Aufbruch, es war spät am Mittag als sie endlich alle fort waren. Sie ritten in die Richtung aus der er kam.

Unter den Regimentern die der König 1673 gegen die Reformierten entsandte befand sich das 1 Regiment der Auvergne. Befehligt von Monsieur de Riom und fünf der gefürchteten Kompanie aus den Ardennen. Die er nun schickte, Söhne der Wälder der Auvergne und der Ardennen, waren seit ihrer Kindheit an die unheilkündende Dämmerung unter den Bäumen, an Wildschweine, Wölfe, Felsen gewöhnt, und verstanden es, unsichtbaren Fährten zu folgen. Ihre Väter waren Holzfäller, Kohlenbrenner. Sie waren nicht mehr in Rot gekleidet wie die Dragoner, sondern in schwarz. Ihre Uniformen, ihre stählernen Helme und ihre bis zur Höhe der Schenkel reichenden Stiefel erweckten schon Angst. Mit ihnen zog das Grauen ins Land.

Es fing an zu schneien. Er brauchte Unterkunft und was zu essen. Viele Stunden ritt er schon. Alle drei waren am Ende ihrer Kraft. Er entschloss sich in die kleine Stadt im Tal zu reiten. Vorher entnahm er seiner Kleidung zwei Goldstücke (Louis d’Or). Als er in die kleine Stadt ritt, sah er, dass er in der Judengasse (Rue de Juifs) war. Es war im recht! Sein Vater hatte als Kaufmann gute Beziehungen zu jüdischen Kaufleuten gehabt, dieses sollte ihm auf seinem weiteren Lebensweg zum Nutzen gereichen. Er konnte, ohne nach „wohin und woher“ gefragt zu werden, kaufen. Satteltaschen, Wäsche, neue Kleidung. Sein Pferd kam in einen warmen Stall zu Hafer und Heu. Der jüdische Kaufmann wusste gleich ohne zu fragen woher er kam und bot ihm Unterkunft und Verpflegung an.

Die Juden, in ganz Europa diskriminiert, mussten in bestimmten Stadtteilen (Ghettos) wohnen. Sie halfen flüchtigen Anhängern von Calvins (der Luther Frankreichs), obwohl sie damit Kopf und Kragen riskierten. Einige Wochen verbrachte er schon im Hause des Tobias. In die frische Luft konnte er nur Nachts gehen, die Gefahr entdeckt zu werden waren für ihn und seine Gastgeber zu groß.

Charles Henri hatte sich gut erholt, und ritt an einem Märzmorgen des Jahres 1674 im Schutze mehrerer jüdischer Händler in den nächsten Ort mit. Tobias hatte ihm eine Adresse und einen Brief für einen jüdischen Schneider mit gegeben. Ein Jude reichte ihn so weiter an den anderen, von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt. Geld lehnten sie immer ab. So halfen Menschen, die selbst Jahrhunderte wegen ihres Glaubens verfolgt und auch getötet wurden!

Ihn beherrschte nur ein Gedanke, fort aus diesem Lande dass seiner Familie so schreckliches angetan hatte.  Als er nach Metz kam, bat er seinen Beschützer ihn die deutsche Sprache zu lehren. 25 Jahre war er nun alt. Er sprach nach einem Jahr Lehrzeit die Sprache ganz gut. Von Metz reiste er nach Lützelburg (Stadt Luxemburg), von dort kam er nach Igel bei Trier. Immer sicher geleitet und freundschaftlich aufgenommen von seinen treuen Freunden!

Der Schreiber dieser Geschichte nimmt an, dass er Dank des Einflusses reicher jüdischer Geschäftsleute Asyl und später Bürgerrechte bekam.

Man war froh, wenn sich hier gute Handwerker ansiedelten, Wohnrecht in der Stadt Trier gab man ihm allerdings (als Abtrünniger) noch nicht. An der Mosel gibt es auch heute noch rein reformierte Dörfer.

Da er selbst vermögend war, durfte ihm der Anfang in ein neues Leben nicht zu schwer gewesen sein. Er gründete 1676 ein Strumpfwirkerei, die es auch im Jahre 1854 nachweislich noch gab. 1677 heiratete er Francoise de Savary.

 Geschrieben im Jahre 1991

 Am 14. Juli 1789 brach in Paris die frz. Revolution aus, die zum Sturz der Monarchie führte. Die frz. Revolutionsarmee marschierte gegen Osten. Trier lag plötzlich mitten in Frankreich, der Rhein wurde Grenze! Auf die Revolution folgte das Kaiserreich Napoleons. Nach dessen Niederlage gegen die Armeen der Verbündeten kam Trier zur preußischen Rheinprovinz.

 Man legte Adam Lambiau* 23. April 1773  nahe, den Namen in Lambio abzuändern.

 

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